Was tun in der Trotzphase bei Kleinkindern?

Trotzphase bei Kleinkindern

Unser kleiner wird bald 3 Jahre alt und so langsam hat bei ihm die „richtige Trotzphase“ angefangen. Da fliegen schon mal die Sachen wild durchs Zimmer oder heftig die Tür geknallt und geschrien. Und da ist ja noch die Sache mit den Grenzen, der Grenzüberschreitung und was mach ich nun – Trotzphase bei Kleinkindern – und jetzt?

Klare Regeln, beide Eltern müssen gemeinsam die Regeln festlegen und sich möglichst gleich verhalten. Die Frage ist ja letztendlich was braucht mein Kind wirklich? Gute Fragen, rauchende Köpfe bei der Umsetzung, das geht wohl vielen Eltern so. Im Moment scheitern wir etwas mit der Durchsetzung, den auch nach einem wiederholten Nein werden trotzdem die Sachen an die Wand gefeuert. Was also tun?

Bei solchen, oder ähnlichen Fragen zum Thema Entwicklung von Babys und Kleinkindern, komme ich immer wieder auf Dr. Posth. Er ist Facharzt für Kinderheilkunde und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und hat mehrere Bücher geschrieben. Eines habe ich hier im Blog, Vom Urvertrauen  zum Selbstvertrauen, bereits vorgestellt.

 

Zum Gedenken an Dr. Posth, der leider unsere Welt im Dezember 2014 verlassen hat, möchte ich mich bei ihm und im Namen vieler Eltern, ganz herzlich für seine mutigen und liebevollen Tipps als Ratschläge bedanken. Dr. Posth hat eine hervorragende Arbeit für uns, unsere Kinder und unsere Nachkommen vollbracht!

 

Umgang mit dem trotzenden Kind von Dr. Posth


Ein stark trotzendes Kind befindet sich in einem psychischen Ausnahmezustand! Es muss dann mit aller Vorsicht und allem Respekt vor seiner inneren Not behandelt werden. Ist der soziale Druck der zufälligen Zeugen eines solchen Anfalls zu groß, bei umher stehenden Fremden ist das fast immer der Fall, ist es geboten, das außer Kontrolle geratene Kind abseits zu bringen und sich dort auskämpfen zu lassen. Die ungeheure Wut, die im Kind aufgekommen ist, braucht einige Minuten, oft auch wesentlich länger, bis sie wieder zur Ruhe gelangt und versöhnlichen Gefühlen Platz macht. Diese kommen dann aber regelmäßig, wenn prinzipiell die Mutter-Vater-Kind-Bindung, dem Alter gemäß, noch intakt ist. Ein solches Verhalten entspräche einer „sicheren Bindung“.

Das bedeutet, dass es sinnlos und schädlich ist, in das Trotzgeschehen emotional steuernd eingreifen zu wollen. Vielleicht ganz am Anfang eines solchen Anfalls, wenn man ihn aufkommen sieht, gelingt es manchmal, präventiv die Affekte des Kindes in den Griff zu bekommen. Aber sehr schnell ist ein Punkt im Geschehensablauf erreicht, welcher keine Umkehr mehr zulässt.

Ganz konkret heißt das alles: was zu verhindern ist, sollte verhindert werden, ohne dass man deswegen dem Betreiben des Kindes, irgend etwas zu erreichen, ständig nachgibt. Vielmehr sollte grundsätzlich vorab oder aktuell in der Situation entschieden werden, ob es wichtig und lohnenswert ist, dieses oder jenes durchzusetzen und dafür einen Trotzanfall in Kauf zu nehmen, oder eben nicht. Die meistens Trotz auslösenden Situationen sind ja in der Regel schnell bekannt und vorauszusehen.

Hat der Trotz eingesetzt und erscheint die Situation so richtig schön verfahren, ist es zuweilen besser, den Fortgang des Geschehens einer anderen Vertrauensperson zu überlassen, um nicht selbst durch Schlagen übergriffig gegen das Kind zu werden. Eigenes Schlagen lehrt das Kind oder ermuntert es, selbst zu schlagen, was man dann aber nicht will und doch erneut durch angreifend aggressives Verhalten (stärkeres Schlagen) zu unterbinden versucht. Der Widerspruch im eigenen Verhalten wird eklatant und vom Kind sofort erkannt. Dieser Widerspruch führt dazu, dass im Sinne eines Modellernens (Imitation, implizites Lernen) der aggressive Angriff blitzschnell ins eigene Verhaltensrepertoire übernommen wird. Schließlich besitzt das Kind im Rahmen der eigenen Aggression ja eine genetische Voraussetzung für aggressive Verhaltensweisen wie Schlagen, Beißen, Kneifen, Treten, an den Haaren ziehen, Umstoßen Kleinerer und Schwächerer (s.o.) und vieles mehr.

Aggressives Übergriffigwerden verbietet sich also aus pädagogischen wie humanitären Gründen, wobei es dem Kind selbst bis zu einem gewissen Grade zugestanden werden muss, da es bei ihm als genetische Vorgabe erscheint und als „Rauferei“ zum Verhaltensrepertoire des kleinen Menschen gehört. Von diesem Verhalten aus sollte sich dann aber der Weg zur Gewissensbildung herausbilden, was aber ein ganz neues Thema wäre und an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt wird.

Nicht zur aggressiven Übergriffigkeit, sondern zum üblichen Verhaltensrepertoire gehören drei Erziehungsweisen, welche menschtypisch sind und zur sozialen Regulation unbedingt Anwendung finden sollten. Es handelt sich um das Drohen, das Schimpfen und das „soziale Trennen“.

a) Drohen: Auch im Tierreich gibt es das Drohen als regulierende Verhaltensweise für die sozialen Beziehungen. Das Drohen wird überwiegend mit der Mimik ausgeführt, z.T. aber auch mit der Gestik. Schon im Rahmen des Referenzierungs-Interaktionsmodus (E.Lemche, s.o.) bei der Loslösung des Kindes (und auch noch früher in der Säuglingszeit) spielte die Mimik eine entscheidende Rolle. Das fortlaufende Kind versicherte sich durch Zurückblicken zur Mutter von deren Unbesorgtheit, die es ihrem aufmunternden Gesichtsausdruck zu entnehmen lernte (auch „sichere Basis“, F.Renggli, s.o.). Umgekehrt führte ängstlich besorgte Mimik bei der Mutter ganz ohne Worte zum Abbruch der begonnenen Handlung. Diese Prinzip findet hier und jetzt seine Fortsetzung, allerdings muss die Mimik den Situationen angemessen nur etwas „erschreckender“ werden. Hierbei spielt gerade der Blick eine ganz besondere Rolle. Der böse Blick, der schon im Säuglingsalter das Kind beeindruckt und zuweilen Weinen ausgelöst hat, zumindest aber ein Wegblicken und Sichabwenden, bekommt jetzt eine klar formulierte Aufgabe, die Verhinderung einer vom Kind beabsichtigten Tat. Nicht gemeint ist ein verbale Äußerung mit der Androhung einer Strafe.

b) Schimpfen: Auch das Schimpfen gibt es schon im Tierreich als Warnruf oder Gebrüll bzw. Gezeter bei Primaten. Beim Menschen ist Schimpfen zweierlei. Einmal klare Änderung der Stimmführung und Lautstärkenänderung. Zum anderen besonderer verbaler Inhalt. Den verbalen Inhalt der ärgerlichen „Botschaft“ oder Mitteilung mag das Kind nicht immer verstehen, den Tonfall, mit dem diese vorgetragen wird, aber regelmäßig. Das Kind wirkt unmittelbar beeindruckt. Je nach bereits erworbener Selbstsicherheit hält das Kind bei seinem Tun inne und richtet sich nach der verbalen Aufforderung, entweder als Ver- oder Gebot, oder es erschrickt und fängt sogar an zu weinen. Auf jeden Fall erreicht die Mutter oder eine andere erziehende Person, dass das Kind sich nicht mehr gemäß seinem eigenen Wunsch und Willen, sondern demjenigen der in die Situation eingreifenden Person verhält. Schimpfen verbraucht sich relativ leicht, was zu beachten ist. Man sollte es nicht inflatorisch anwenden. Übrigens kann auch ein kurzer und energischer „Anruf“ die ganze Wirkung des Schimpfens entfalten.

c) Sozial Trennen: die Maßnahme des Fortschickens oder auch selbsttätig Forttragens, um das widerspenstige Kind wenigstens eine Zeitlang außerhalb der sozialen Gemeinschaft zu stellen, ist im wesentlichen eine menschliche Eigenschaft. Sie basiert im Grunde auf der Einschränkung des Kindlichen, emotionalen Bedürfnisses, möglichst immer „dabei zu sein“ und im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Das Kind versucht ja grundsätzlich, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, eine Aufmerksamkeit, die ihm Bedeutung und Wichtigkeit suggeriert. Beide sozialen Bezugsformen stärken nämlich sein Selbst. Entgehende Aufmerksamkeit wirkt auf das Kind beinahe wie eine seelische Verletzung. Bestes Beispiel hierfür ist die lange Zeit mit einer anderen Person telefonierende Mutter, die nun permanent von ihrem Kind bedrängt wird. Das soziale Trennen ist für das Kind eine harte Maßnahme, und sie sollte nur im äußersten Notfall eingesetzt werden Das Einsperren des Kindes ist verboten und Teil der sogenannten schwarzen Pädagogik. Das Kind muss die Möglichkeit haben, sobald es sich beruhigt hat, zur Mutter oder einer anderen, erziehenden Person zurückzukehren und um Trost und Verzeihung zu ersuchen. Diese Reaktion tritt auch über kurz oder lang regelmäßig ein, sofern die sozialen Grundbeziehungen noch intakt sind, und muss gebührend beachtet werden.

 

Alles über Dr.Post findest du hier: Rund ums Baby

Tipp: Über den Reiter „Stichwort auswählen“ findest du Fragen und Antworten zu jedem Thema. Unter „Frühkindliche Entwicklung, Bindung und erweitert Bindungstheorie“ und „Das emotionale Bewußtsein“, findest du „Eine Hilfestellung für Eltern“.

 

Was sind eure Erfahrungen mit dem Thema Trotz und wie geht ihr damit um?

 

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